Information und Wissen

„We drown in information, but we thurst for knowledge“

Diesen Spruch des US-Autors John Naisbitt können wir wohl alle unterschreiben. Aber was ist denn mit Wissen gemeint? Ich glaube, bewusst oder unbewusst dürsten wir nicht nach dem Wissen, das nichts als die Projektionen unserer Psyche, die Konstruktion unserer verwirrten Gehirne oder das Resultat der Zensur und Manipulation durch Andere ist. Wir dürsten nach der Wahrheit dahinter, die uns allerdings kein Wissensmanagement liefert. Deshalb: darüber nichts weiter auf diesem Blog.

Kultur der Partizipation

Jenkins, Henry (2009) „Critical Information Studies For a Participatory Culture“
http://henryjenkins.org/2009/04/what_went_wrong_with_web_20_cr_1.html

Das Web 2.0-Konzept von O’Reilly, mittlerweile 5 Jahre alt, hatte primär die Kunden im Visier. Unternehmen sollten davon profitieren, „die kollektive Intelligenz“ zu nutzen und mit Wissen zu arbeiten, des von interessierten Nutzern der Website erzeugt worden ist. Das würde eine mutige und offene Informationspolitik der Unternehmen voraussetzen.

Die bisherigen Erfahrungen sind aber auch z.T. ganz anders:

  • Manipulation der User-Community
  • Zensur der User-Beiträge
  • Missbrauch von gesammelten Daten („der gläserne User „)
  • lascher Umgang mit Datenschutz und Nutzungsvereinbarungen.

Auch die grossen Vorzeige-Websiten der Web 2.0, wie You-Tube oder Facebook, gehören zu den Sündern.

Jenkins setzt dies in einen grösseren Zusammenhang. Für ihn ist eine partizipative Kultur eine Kultur mit relativ tiefen Hürden, sich künstlerisch auszudrücken und sich als Bürger zu angagieren. Erschaffen und Erschaffenes teilen, wird intensiv gefördert. Ein informelles Lernen geschieht dadurch, dass die Erfahrungen der Besten auf einem Gebiet frei zu den Anfängern fliessen. In einer partizipativen Kultur glauben die Mitglieder, dass ihre Beiträge wichtig sind und fühlen sich mit anderen verbunden. Es zählt nicht (nur) die individuelle Leistung sondern auch das Engagement in der Gemeinschaft. (Sinngemässe Übersetzung durch UV)  Weiterlesen

Bildung heute

Entwarnung: Kein neuer Beitrag zum Thema „Was ist Bildung“. Dazu gibt es genügend dicke Bücher und dünne Pamphlete.

Lediglich aus dem Blickwinkel „Wissensmanagement“ möchte ich einige zeitgemässe Fertigkeiten auflisten, die ich bei Siemens & Tittenberger (2009) in ihrem LTC-Handbuch im Kapitel „New Learners? New Educators? New Skills?“ gefunden habe, extrahiert aus Siemens, G. (2006): Knowing knowledge. Vancouver, BC, Canada: Lulu Press.

Englische Fassung: >>

Stichworte auf Deutsch:

Was muss ich heute auch noch können ?!

  • Ankern: Fokussiert bleiben auf die wichtigen Aufgaben in einer Sintflut von Ablenkungen.
  • Filtern: Informationsfluss bewältigen und das Wichtige herausziehen.
  • Vernetzen: Netzwerke aufbauen, um aktuell und informiert zu bleiben.
  • Sozial sein: Einander als Menschen (soziale Wesen) begegnen, nicht nur als Objekte, die man ausnützt.
  • Sinnzusammenhang finden: Bedeutung und Auswirkungen verstehen.
  • Bewerten: Information bewerten und Glaubwürdigkeit sicherstellen.
  • Im Kontext erkennen: Einbettung von Personen und Gültigkeit ihrer Ideen im Kontext sehen.
  • Muster erkennen: (Entwicklungs-)Muster und Trends erkennen.
  • In der Wissenslandschaft navigieren zwischen Menschen, „Wissensdeponien“, Technologien, Ideen.
  • Unsicherheit akzeptieren: Bekanntes und Unbekanntes ausbalancieren und sehen wie diese zusammenhängen.
  • Den roten Faden finden: In der Fülle den roten Faden und die Schlüsselkonzepte nicht übersehen.

Als Lehrperson und Wissensarbeiter muss ich also auch darauf achten, dass junge Menschen diese Fertigkeiten lernen, üben und weiterentwicklen können!

schulplattform.ch

WSP — Unter diesem Namen bietet sich eine Web-basierte, von IBM gesponserte Lernplattform an, die wie der Name sagt, sich nicht nur als Lern- sondern auch als umfassende Schulplattform versteht. Mehr Info >>hier

Auf den ersten Blick positiv aufgefallen:

  • Das Lernmanagementsystem geht von Kompetenzrastern aus. Um diese Kompetenzraster herum wird die ganze Lernumgebung einschliesslich der Leistungsstandkontrolle aufgebaut. Ein interessanter Ansatz, der meiner Auffassung von Bildung und Ausbildung wesentlich näher kommt als der sonst übliche Klassen-orientierte Aufbau.
  • Wichtige administrative Belange wie Absenzenkontrolle und Agenda sind in den Desktop der Lehrpersonen eingebaut.
  • Ein umfassendes Monitoring der Lernforschritte und des Leistungsstandes der Lernenden verbindet alle beteiligten Lehrpersonen.
  • Lern-Module werden mit einem DMS bewirtschaftet, das sogar eine explizite Freigabe verlangt.

Auf den ersten Blick negativ aufgefallen:

  • Schule wird als abgeschottetes, durchorganisiertes System verstanden, das bezüglich Interaktivität sehr konservativ funktioniert.
  • „Social Web“-Module sind nicht erkennbar. Insbesondere haben die Lernenden nur eine passive Rolle. Kommunikation nur über Einweg-Medien.
  • Der Personalisierung der Arbeitsumgebung scheinen enge Grenzen gesetzt.
  • Ein Bekenntnis zur offenen Entwicklung der Plattform ist nicht erkennbar (auch nicht semi-open source).

Informationsvormittag am 18. Juni 2009 im IBM-Zentrum Zürich-Altstetten.

Von dieser Veranstaltung erhoffe ich mir insbesondere mehr Information zu den Möglichkeiten der Einbindung bestehender Applikationen, Freiheit in der Verwendung von Dateiformaten und zeitgemässen Mashup-Möglichkeiten.


Mehr Zukunft im Internet

Am  2. Cologne Web Content Forum sprach Michael Granitzer (Bereichsleiter für Knowledge Relationsship Discovery, Know-Center GmbH) unter anderem über die Informationsmengen und deren Bewältigung.

  • 2006 standen jedem Einwohner der Erde ca. 1020 Bytes Informationen zur Verfügung (umgerechnet 6 Tonnen Hardcopies).
  • 2010 rechnet man mit 1021 Bytes pro Einwohner (rein statistisch; faktisch ist das erst noch auf eine kleine Minderheit von Erdenbewohnern konzentriert).

Im Moment sind Computer nur in der Lage, Daten zu verwalten und weiter zu geben. Sie können sie nicht interpretieren und in Zusammenhänge bringen.

Die Herausforderung:
Diese unstrukturierten Informationen müssen aufbereitet und verknüpft werden. Relevantes muss rasch und sicher gefunden werden. Im Web 3.0 geht es also nicht primär um zusätzliche Inhalte. Es geht darum, diese Inhalte mit semantischen Informationen zu erweitern.

Zitat: „Das Web ohne Semantik ist wie ein perfektes Gedächtnis ohne Verständnis.“

Mehr hier >>  

Konsumismus

Was soll dieses Thema auf einem Wissensmanagment-Blog ?

Vorbemerkung: Der folgende Artikel zum Thema Konsumismus ist nicht eine sinngetreue Zusammenfassung des nachstehend referenzierten Artikels, noch nimmt er Bezug auf die entsprechende Primärliteratur, noch entspricht er der Meinung des referenzierten Autors. Vielmehr habe ich meine eigenen Assoziationen zu Aspekten des Wissensmanagements bei der Lektüre des Artikels aufgeführt.

Referenz: Hochstrasser, F. (2009) „Konsumismus in der Schule?“, vpod bildungspolitik Heft 158, S. 34-39.
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Wissensmanagement und Qualitätsmanagement

Referenz: Tochtermann, K. & Schachner, W. (2008)  „Knowledge Report: Wissensmanagement im Qualitätsmanagement (Kurzfassung)“, Know-Center GmbH Graz, 2008.

Im ersten Teil des Reports aus Österreich werden Resultate einer Feldforschung bei rund 100 Qualitäts-Praktikern und 20 Q-Experten zu Wissensmanagement gezeigt. Im zweiten Teil folgen Hinweise zur Integration der sich überschneidenden Bereiche von WM und QM, die in der zur Verfügung stehenden Kurzfassung fehlen und deshalb nicht diskutiert werden.

Einige Erkenntnisse aus der Befragung:

  • Wissensmanagement ist wenig in der Strategie verankert.
  • Die aktive Unterstützung von Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeitern ist schwach, weil man denkt, dass die sowieso alles selber können.
  • Für die Qualitätsentwicklung wird Wissen als Schlüsselfaktor erkannt.
  • Für die Qualitätsdatenerhebung wird Wissensmanagement nicht genutzt.
  • Qualitätsentwicklung ist nicht mit Wissensentwicklung verknüpft. Wissensentwicklung wird als fachbezogene Linienaufgabe gesehen.
  • Der Faktor „Mensch“ hat einen höheren Stellenwert im Wissensmanagement als die Technik.
  • Es hängt viel an „Vorantreiben“: Entscheidungsträger, die Ressourcen freigeben. Mitarbeitende, die Pionierleistungen erbringen und andere mitziehen.
  • Humanressourcen werden nicht durch neue Stellen geschaffen, sondern durch (teilweise) Freistellung geeigneter MA für WM-Aufgaben.
  • Von Q-Praktikern wird ein grosses Wissen über das Unternehmen erwartet (Prozesse, Organisation, Schnittstellen und Vision, Business-Position, Strategie). Marketingwissen ist dagegen sekundär.
  • QM ist nicht gleich WM, weil QM primär nach Innen gerichtet ist, WM aber stark mit Aussen vernetzt ist.
  • Wissen ist aus QM-Sicht „in Kontext gebrachte, handlungs- und entscheidungsrelevante Information“.
  • Ausserdem gelten alle bekannten theoretischen und praktischen Aussagen über „Wissen“ auch im QM.

Soft Factors im Wissensmanagement

Referenz: Specht, R. (2007): „Soft Factors“, p. 31-34.
in: Belliger, A. & Krieger, D. (2007) „Wissensmanagement für KMU“, vdf Zürich.

Specht stellt seine Unterscheidung von Information und Wissen dar. Jeder Autor tut das und ich finde es mittlerweile nicht mehr ermüdend und redundant. So entsteht nämlich genau das, was Specht weiter unten als intersubjektives Wissen bezeichnet, also eine Art Objektivierung subjektiven Wissens. Für mich ist dieser Gedanke des intersubjektiven Wissens sozusagen die philosophische Theorie und Voraussetzung für Web 2.0.

Information entsteht nach Specht dann, wenn Rohdaten zugeordnet, kategorisiert, zu Mustern verbunden werden. Information ist die „höchste“ Form von gespeichertem, dokumentiertem Wissen. Der Begriff „explizites Wissen“ bezeichnet dasselbe.

Wissen wird aufgebaut, wenn Informationen in ihren relevanten Kontext gesetzt und als Basis für Ideenentwicklung, Entscheide und Handlungen verwendet werden. Eigentliches Wissens ist immer personengebunden, nur implizit vorhanden und nur beschränkt explizierbar. In diesem Wissen enthalten sind u.a.

  • Wirklichkeitskonstrukte
  • Denkstrukturen
  • Glaubenssätze
  • Intuitives Wissen

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Wissensmanagement mit internem Blog

Jürg Stuker, CEO der Firma namics, stellt in einem kurzen Artikel ihre firmeneigene Bloginfrastruktur auf pull-Basis als zentrales Element des Wissensmanagements und der internen Kommunikation in namics vor.

Die beschriebene Art der Blog-Nutzung ist für sog. kurzlebiges Wissen gedacht, das Dialog und kontextbezogene Kommentare in den Vordergrund stellt.

Wesentliche Vorteile sind laut einem Gespräch mit Marcel Albertin (CTO von namics), das Andrea Back (Dozentin am Institut für Wirtschaftinformatik der HSG) führte:

  • Kommunikaton, was intern in der Firma passiert.
  • Mitarbeitende filtern aus dem Internet die für die Firma relevante Information heraus.
  • Kommunikation standort- und teamübergreifend, auch wichtig für die Entwicklung der Mitarbeitenden.
  • Schnelles Feedback der Mitarbeitenden zu allem was läuft.
  • Mailflut eingedämmt.
  • Meinung aller ist immer gefragt.

Tagging sinnvoll einsetzen

Einige Erkenntnisse aus einem Interview mit Prof. Ronald Maier, Institut für Wirtschaftsinformatik an der Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck:

Einsatzbereiche von Tagging in einem Unternehmen:

  • Beschreibung bereits existierender Ressourcen.
  • Beschreibung laufend aufgenommener Informationen.
  • Projekt-Dokumentationen.
  • Prozess-Dokumentationen.

Vorteile des Taggings:

  • Niedrige Einstiegsschwelle.
  • Einfache Handhabung.
  • Zuweisung aus Tag-Fundus.
  • Viele Tagger bringen viele Ideen und viel Wissen ein.

Probleme des Taggings:

  • Gewisse Menge unbrauchbarer oder falscher Tags entsteht.
  • Qualitätssicherung beim Tagging noch nicht entwickelt.
  • Kritische erforderliche Masse an aktiven und ernsthaften Nutzern (und Taggern)
    (→ Mitarbeitende motivieren und befähigen).

Zukunft des Unternehmens-Taggings:

  • Mehrwert durch Aufbereitung der „vertaggten“ Information (→ semantic web).
  • Methoden für die Qualitätssicherung.

Interne Kommunikation 2

Referenz: Eine Studie von Frenzel, K., Müller, M. und Sottong, H. (2008)
Interne Kommunikation im Wandel
untersuchte mit Hilfe der von den Autor(inn)en entwickelten Storytelling-Methode Probleme und Lösungsversuche der internen Kommunikation in deutschen Unternehmen.
http://www.sys-kom.de/index.php?SITEID=3.0.0&NEWSID=5d32c6c09654f29628b56d9d27676e94

Im Folgenden als Zitate einige Erkenntnisse der Feldstudie und der damit verbundenen Literaturstudien
[meine Ergänzungen / Auslassungen in eckigen Klammern]:

  • Die Interpretation dessen, was Mitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag erleben, führt diese signifikant häufig zu der Überzeugung, das Unternehmen habe keine „Strategie“, obwohl gleichzeitig eine der Hauptanstrengungen [..] [der Geschäftsleitung] in der Vermittlung eben einer solchen besteht,
  • oder die Beobachtung des Unternehmens durch die Mitarbeiter lässt sie eine ganz andere „Strategie“ als die offiziell verkündete als „eigentliche“ Strategie folgern.
  • Während [..] [die Geschäftsleitung] ihre Bemühungen differenziert und intensiviert, [..] über alle als relevant eingestuften Entwicklungen im Unternehmen [..] zeitnah, umfänglich und auf diversen medialen Kanälen zu informieren, klagen die so Angesprochenen über die wachsende Informationsflut, suchen Orientierung in verstärkter personaler und informeller Kommunikation und ignorieren aktiv bestimmte Kommunikationsangebote [..] [der Geschäftsleitung].
  • Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte beschaffen sich die Informationen, die sie selbst für relevant erachten so oder so und offenkundig ohnehin am liebsten an den offiziellen Quellen [..] vorbei.
  • So gesehen kommuniziert eine [offizielle] Interne Kommunikation [über Mitarbeiter-Informationen, Intranet usw.] immer gegen informelle Kommunikationen und die Interpretationen der Alltagsbeobachtungen der Mitarbeiter an.
  • Dass die Selbstinformation eines Systems (Unternehmen, Konzern) andere Formen der internen (kleingeschrieben!) Kommunikation kennt, mit denen Interne (großgeschrieben!) Kommunikation permanent koexistiert, kontrastiert und nicht selten konfligiert, muss dabei immer mitgedacht werden.

Die Autor(in)en stellen als Ergebnisse ihrer Feldstudie drei Problemfelder in den Vordergrund:

  1. Information Overload
    als Folge informationslogistischer Erfolge [!] und des Strebens, alle möglichst zeitnah über möglichst alle (relevanten ?) Themen [..] verständlich zu informieren.
  2. Rezipientenparadox
    Die Infomierten beklagen sich über die Informationsflut und fordern gleichzeitig ein Mehr an zeitnaher Information und umfassender Erläuterung.
  3. Glaubwürdigkeitskrise
    Mitarbeitende beobachten die internen und externen Kommunikationen verstärkt auf Widersprüche hin.

Diese drei Problemfelder verstärken sich gegenseitig.

Zusätzlich verschärfen die folgenden, gut gemeinten Bemühungen [der Geschäftsleitungen und Kommunikationsfachleute] die Probleme noch weiter:

  • Zielgruppenadäquate Aufbereitung von Inhalten.
  • Medientechnologische Aufrüstung.
  • Kontrolle aller potenziellen Sender.
  • Anstreben einer semantischen Äquivalenz aller Äusserungen zu einem Thema auf sämtlichen Kanälen.

In dem mir vorliegenden Auszug aus der Studie fehlen leider die passenden Patentrezepte, so es sie überhaupt gibt. Wer möchte die Studie für den Preis von 490 Euro bestellen ?

Demokratisierung des Wissens

Im Prinzip beinhaltet die „Web 2.0“-Idee die Demokratisierung des Wissens.

  • Es ist nicht nur jedem Menschen mit Internet-Anschluss zugänglich (das ist vorerst noch eine Minderheit der Menschheit aber in unseren Breitengraden wohl bereits eine Mehrheit),
  • sondern jeder Mensch kann auch einen Beitrag zu einer wissensfördernden Informationsplattform liefern.

Wenn dabei die Umwandlung von implizitem Wissen in explizites Wissen, sprich handhabbare Information gelingt, wird Wissen zum Gemeingut.

Geradezu ein philosophisches Schaudern packt mich beim Gedanken, dass die Community gewissermassen auch darüber abstimmt, was wahr ist und was nicht. Die alte Naturwissenschafter-Theorie besagt, dass eine Hypothese oder ein Theoriekonstrukt solange als richtig gilt, bis sie jemand falsifiziert. Im Prinzip läuft das im Web 2.0 genauso.

Wir sind alle Experten.

Die Demokratisierung des Wissens als Allgemeingut scheint eigentlich dem Phänomen der zunehmenden Spezialisierung zu Super-Experten zu wider zu laufen. Im Prinzip wird klar, dass nur das gemeinsame Aufbauen und Teilen von Wissen uns genügend „expert“ macht, um die komplexen realen Probleme anpacken zu können. Die schmählich beiseite geräumte Interdisziplinarität, eine Forderung der 70er-Jahre, kommt unter geänderten Vorzeichen zu einer Renaissence.

Intranet auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ausrichten

In einem Artikel „Das Ende von Wissen am Fliessband“, wie in der Branche üblich eine Marketing-Initiative, schwankend zwischen Sachinformation und Reklame, legen die Autoren W. Buhse und A. Dornis zu recht den Finger auf die folgende Erfahrung.

„Bis 2006 konzentrierte sich das Wissensmanagement bei MLP auf die Darstellung der Inhalte und den Kontext ausgewählter, größtenteils isolierter Informationssysteme in Form unterschiedlichster Datenbanken sowie auf ein uneinheitliches Dokumentenmanagement in File-Shares. Informations- und Wissensmanagement bestand im Wesentlichen aus „Push & Pull“, d.h. die zentrale Einheit entschied darüber, was den Intranet-Nutzern als Information aktiv zugeführt wird bzw. welche Wissensfelder passiv (zum Abruf) bereitgestellt werden. Mangels direkter Interaktion zwischen Sender und Empfänger entwickelten die Fachautoren oft Inhalte am Bedarf vorbei. Den Anwendern wurden dadurch Informationen „wie am Fließband“ präsentiert, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, die Inhalte mitzugestalten.“

Mit einer integrierten Lösung für Wissensmanagement versucht die Firma MLP Finanzdienstleistungen AG den genannten Problemkreis zu verbessern und vor allem möglichst viel „frisches Wissen“ (gemeint ist natürlich „frische Information“ zur erweiterung des Wissens der Mitarbeitenden) bereit zu stellen.

Wissensmanagement in Bildungs-KMU

Im folgenden eine Zwischenbilanz meiner Gedankengänge nach diverser Lektüre und Gesprächen ohne weitere Quellenangaben:

Wissen

Wissenstreppe nach North (2002)

Wissenstreppe nach North (2002, Wissensorientierte Unternehmensführung)

  • Aus der Sicht des einfachen Wissensmanagements sind vor allem die beiden Begriffe Information und Wissen im Zentrum, d.h. wie kann die Entstehung von Wissen aus Informationen unterstützt und wie kann Wissen ausgetauscht, und effektiv als Information gespeichert werden.
  • Die HR-Sicht zielt auf die Kompetenz der einzelnen Mitarbeitenden.
  • Die Strategie-Sicht ist die Blickrichtung des oberen Pfeils, d.h. was brauchen wir, um wettbewerbsfähig zu werden oder bleiben.

Wissensmanagement auf Ebene Organisation

Es wird nicht einfacher …., auch wenn „Einfacher werden“ ein wichtiges Management-Prinzip ist.

Deshalb wird die Kommunikation und Koordination in einem dezentral organisierten und auf Selbstverantwortung aufgebauten Unternehmen immer wichtiger. Wir könnten „Kommunikation und Koordination“ in „Wissen aufbauen und im Unternehmen teilen“ übersetzen.

Für die Geschäftsleitung ergeben sich daraus u.a. die folgenden Aufgaben (strategisch, operativ):

  • Definieren der wichtigen Kompetenzen für das Erreichen der Unternehmensziele im Rahmen der Vision.
  • Schaffen einer Kultur, in welcher alle Mitarbeitenden das Aufbauen und Teilen von Wissen (Best Practices, kollegiale Beratung usw.) als ihren persönlichen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens sehen.
  • Schaffen einer Kultur, in welcher flache Hierarchien, organisierte Projektteams, aber auch aus Interesse sich bildende Arbeitsgemeinschaften (wie z.B. Lehrpersonen in einer Fachgruppe oder Lehrpersonen mit Interesse am Thema „Heterogenität“) in einem Klima des Vertrauens arbeiten können.
  • Zur Verfügung stellen von intuitiv und jederzeit nutzbaren Werkzeugen für den Informationsaustausch, um den Aufbau und das Teilen von Wissen zu unterstützen. Dazu gehören neben den ICT (Social Software; Motto: jederzeit und dezentral) auch „physische Begegnungsgefässe“ (zur gegenseitigen Motivation und Senkung der „Missverständnisquote“).
  • Verknüpfen der Wissensmanagement-Aktivitäten mit der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden.
  • Fördern des Lernens aus Nonkonformitäten (Fehlern, Kundenreklamationen usw.) durch Aufbau von entsprechenden Wissensbasen („Nicht immer dieselben Fehler machen“).
  • Förderen des persönlichen Wissensmanagements aller Mitarbeitenden, insbesondere der „Wissensarbeiter“, die in einer Bildungsinstitution die Mehrheit und Träger der Kernprozesse bilden.
  • Definieren des Überwachungsprozesses für die Aktualität der Einträge in den „Wissensdatenbanken“ (z.B. in Wikis und Blogs). 
  • Definieren des Datenschutzes und des „Wissensrisiken-Managements“.
  • Falls nicht bereits durch andere Leitbilder abgedeckt: Wissensleitbild formulieren und operativ umsetzen.
  • Sichern, Weiterentwickeln und Teilen des Wissens über zentrale Geschäftsprozesse wie Strategieentwicklung, Marketing und Kundenbeziehungen, die häufig in der Geschäftsleitung konzentriert sind.

Persönliches Wissensmanagement

Im Prinzip geht es darum, wie die Wissensarbeitende ihren Wissensaufbau und das Teilen ihres Wissens organisieren. Die entsprechende Fachliteratur läuft in der Regel in den Kategorien über bessere Organisation der eigenen Arbeit, Lernen u.ä.

The nonsense of ‘knowledge management’ 3

T.D. Wilson, Information Research, Vol. 8 No. 1, October 2002

Fortsetzung von Teil 2

Im letzten Teil seines engagierten Artikels befasst sich Wilson mit der Dimension „Mensch“. Er zeigt auf, dass die Umsetzung von Informationen in für das Unternehmen produktives Wissen eine entsprechende Zusammenarbeitskultur voraussetzt:

  • Die Vorteile des Informationsaustauschs müssen für alle Mitarbeitenden glaubwürdig und nachvollziehbar gegeben sein.
  • Die Mitarbeitenden müssen sowohl die Kenntnisse wie die Gelegenheit haben, individuell aus Informationen Wissen aufbauen zu können.
  • Arbeitsgemeinschaften, die sich aus Interesse an der Sache bilden, sind an der Anwendung ihres Wissenspools beteiligt. Solche Arbeitsgemeinschaften sind nicht zu vewechseln mit Projektteams oder Teams in der hierarchischen Organisation, die von Aussen gesetzte Ziele zu erreichen haben.

Wilson bezeichnet eine solche Zusammenarbeitskultur als Utopie und stellt resigniert fest, dass die auf kurzfristigen Shareholder Value fixierten, als Strategie bezeichneten Unternehmensziele diametral der Zusammenarbeit der Interessierten entgegenwirken und dass sie bei den immer wiederkehrenden Entlassungs- oder Outsourcing-Wellen für das Unternehmen gewaltigen Wissensverlust zur Folge haben.