Mariazell (Steiermark)
Aufführung des Konzertchors Oberbaselbiet mit dem Barockorchester „La Sarabanda“ am 14. November 2009 in der Stadtkirche Liestal.
So habe ich das bei Joseph Haydn (1732-1809) noch nie wahrgenommen: Haydn, der Inbegriff der Klassik in der mitteleuropäischen Musik, greift in seiner „Grossen Mariazeller Messe“ (Missa Cellensis Hob. XXII, auch Cäcilienmesse genannt) intensiv auf die Tradition Johann Sebastian Bachs zurück. Vor allem in den Chorfugen, und davon hat es in dieser Messe einige, ist die Nachfolge des Fugenmeisters spürbar: Komplexe Themen erklingen, zum Teil sogar als Doppelfugen, die Stimmen setzen zu Beginn der Fuge stark versetzt ein, so dass die Themen vollständig ins Ohr gehen, eine lange und variationenreiche Durchführung folgt.
Da ist die Kunst des Chores und die Aufführungspraxis der Dirigentin Franziska Baumgartner-Meier besonders zu loben. Die einzelnen Stimmen hoben sich jeweils wunderbar transparent aus dem Ganzen heraus, wenn sie die Themen oder Teile davon präsentierten, ohne dass dabei die Homogenität des Gesamten verloren ging.
Das Werk Haydns enthält zahlreiche schöne Teile – und trotzdem fehlt ihm das gewisse Etwas. Für das musikalische Empfinden fehlen die Höhepunkte, die glanzvollen Stellen, die spätere Werke Haydns so beliebt machten. Es klingt, wie wenn der Meister seinen Stil noch nicht gefunden hätte. Vielleicht erreicht deshalb dieses Werk heute nicht die Bekanntheit anderer Haydn-Messen. Diese Messe darf noch fast als Jugendwerk gelten, auch wenn Haydn damals bereits 34 Jahre alt war.
Zwischen Gloria und Credo der Messe hatte die Dirigentin noch ein „Ave Maria“ für Solistenquartett und Streichorchester von Michael Haydn (1737-1806) eingeschoben.
Chor, Solisten und Orchester waren „super“. Der Konzertchor Oberbaselbiet präsentierte sich wieder einmal als Spitzenchor unter den Laienchören, was sich nicht zuletzt in der Aufmerksamkeit und stimmlichen Präsenz äusserte. Die Schwierigkeit des Werkes drückte sich in der Anspannung der Gesichter aber nicht in der Qualität des Chorgesangs aus. Franziska Baumgartner-Meier hatte die komplexe Musik jederzeit „an der Stabspitze“. Das Solistenquartett ist ebenfalls zu rühmen, besonders auch die tieferen Lagen, Altistin und Bassist. Letzterer hatte die dankbare, für einen Bassisten seltene Aufgabe mit einem ausgedehnten Solopart im Agnus Dei das Werk abzuschliessen (Das „Dona nobis pacem“ des Chores folgte natürlich schon noch). „La Sarabanda“, ein Orchester aus der Regio Basiliensis (auch unter dem Namen “La Beata Olanda” bekannt) zeigte, welche Stütze ein professionelles Orchester in einem Vokalkonzert darstellen kann. Der „barocke Touch“ des Werks kam dem auf alte Musik spezialisierten Ensemble wohl sehr entgegen. Ein schönes Konzert!