Mir ist ein 5 Jahre alter Artikel unter die Augen gekommen (Vielen Dank, Irene Briner), der Risikoverhalten in Märchen vergleicht.
Referenz: Pontzen, H. (2005) “Märchen und Risiko”, auf risknet.de.
- Das tapfere Schneiderlein und die Riesen in der Darstellung von Alexander Zick (1845 – 1907)
Dazu hat es bei mir noch etwas weiter gesponnen:
Es gibt die Draufgänger, die kein Risiko scheuen, wie die Bremer Stadtmusikanten oder das Tapfere Schneiderlein. Allerdings ist ihre Risikostrategie nicht besonders reflektiert und gleicht eher dem Mut der Verzweiflung (Bremer Stadtmusikanten) oder entspringt schlichter Selbstüberschätzung (Das tapfere Schneiderlein). Was würde passieren, wenn diese Helden es mit, sagen wir ‘mal, intelligenteren Gegnern zu tun bekämen?
Eine typische Märchenkonstellation sind drei Brüder, von denen die beiden älteren klug und selbstbewusst sind, der jüngste als einfältig angesehen wird. Die Überheblichkleit der Älteren führt zu einer Fehleinschätzung der Lage und dem Übersehen wichtiger Warnsignale oder Hinweise am Wege (die gegenwärtige Finanzkrise lässt grüssen).
Oft ist allerdings der Handlungsspielraum der Märchenheldinnen und -helden so eingeschränkt, dass nur geduldiges Ausharren die Wende zum Guten bringt. Sie bekommen gar nicht die Chance, Risiken einzugehen. Kommt die Chance, muss sie dann auch ergriffen werden. Warten wird belohnt.
Das Vertrauen auf ihre Intuition lässt viele Märchenheldinnen und -helden riskante Abenteuer in Angriff nehmen. Gemindert wird das Risiko durch den wunderbaren Beistand von Helferwesen, meist in der Gestalt von alten Menschen, Naturwesen oder sogar Tieren. Ihre fehlende Erfahrung im Umgang mit Risiken können sie mit dem weisen Rat oder den Zaubermitteln der Helferwesen kompensieren. Und trampen sie dennoch, meist mehrmals, in die Falle, stehen ihnen die Helferwesen bei (selbst wenn Märchenerzähler und -zuhörer schon längst denken, dass Hopfen und Malz verloren sind, wie z.B. im Goldenen Vogel).
Die genialste Märchenheldin ist für mich immer wieder das Aschenputtel, welches über ein vielseitiges Repertoire von Risikoverhalten verfügt (Geduld, Ausdauer besitzen, Rat holen, Vertrauen in die eigene Stärke haben, im richtigen Moment aktiv werden, … ). Auch die Kluge Bauerntochter vermag Risiken gut abzuschätzen, um zum Ziel zu kommen; nur einmal ist sie unachtsam (Fehleinschätzung des Risikos?) und muss dann am Ende alles auf eine Karte setzen.