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Sant'Umberto di Cassina

Kapelle Sant'Umberto Meride

Kapelle Sant'Umberto Cassina, Meride

In der Waldlichtung Cassina (z.T. auch Cascina geschrieben), auf der Südseite des Monte San Giogio oberhalb von Meride (Schweiz, Tessin) steht eine Hubertus-Kupelle (ital.: Sant’Umberto).

Das Bild zeigt einen Jäger, dem ein Hirsch mit dem strahlenden Kreuz zwischen den Hörnern erscheint.

In den Märchen ist der Hirsch eine wichtige und häufige Gestalt. Wie viele europäische Märchen enthält auch die Hubertus-Legende eine Integration vorchristlicher göttlicher Figuren aus schamanistischen und totemistischen Kulturepochen mit christlichen Bildern.

Der Hirsch gilt allgemein als Christus-Symbol. Das Bild stellt somit eine Gotteserfahrung dar.

Die Wanderung vom Lago die Lugano vom Ort Brusino-Arsizio (Schifffahrt von Lugano) hinauf über die Alpe Brüsin (mit Grotto) auf den Monte San Giorgio (mit prächtiger Rundsicht) und dem Abstieg über Cassina nach Meride ist wunderschön. Der Monte San Giorgio ist im Übrigen vor allem ein Wallfahrtsort für Geologen und Geobotaniker.

Märchenspaziergang 2008 (29.08.08)

Gelterkinden, Märchen-Abendspaziergang

Eine alte Tradition durfte wieder aufleben.

Es erzählten Regula Itin, Magdalena Gisin und Urs Volkart

Treffpunkt: 19.00 Uhr, Bahnhof Gelterkinden beim Postauto richtung Rheinfelden. Wegzoll: Fr. 15.–

Wir fuhren zuerst mit dem Postauto nach Rickenbach, reine Spazierzeit ca. 45 Minuten.
Ende gegen 22 Uhr: in einem Raum im Chienbergreben, 10 Gehminuten vom Bahnhof Gelterkinden.
Zugsabfahrt in beiden Richtungen 21.58 (oder 22.28). 

Der Anlass sollte bei jeder Witterung stattfinden. Je nach Wetter würde die Route gekürzt.
Das war aber nicht nötig. Ein milder Spätsommerabend begleitete uns….

Bericht

Gelterkinden, Freitagabend, 29. August 2008, ein warmer Spätsommerabend, blauer Himmel, der langsam eindunkelt, und zauberhaftes Licht, das langsam verblasst.

Ein wunderbarer Märchenabend. Viele liebe und sehr positive Echos von Teilnehmenden.

19 Uhr, mehr Menschen als erwartet sammeln sich auf dem Postauto-Parkplatz des Bahnhofs Gelterkinden. Magdalena Gisin, Regula Itin und ich dirigieren die Teilnehmenden ins Postauto. Kurze Busfahrt nach Rickenbach auf den Stehplätzen — dort warten auch schon Teilnehmende von der anderen Seite des Bergs — rasch weg von der Strasse und zum Friedhof — Platz und Zeit für die Begrüssung und als Einstieg: das immer wieder gut aufgenommene Einstiegsmärchen aus der jüdischen Tradition “Die Wahrheit und das Märchen”.

Der Aufstieg zum “Bleistiftbrunnen” am Waldrand unterhalb der Rickenbacherfluh geht locker, die einen schnaufen schon etwas tiefer. Dort im Wald, ein Elfenhügel, Platz für die Geschichte vom Schotten McNeal, der einige Tage Feenzeit bei Tanzen und Fröhlichkeit verbringt, bis ihn der Anblick einer jungen menschlichen Mutter mit ihrem Kleinkind so berührt, dass ihm ein Segensspruch über die Lippen geht — und ihn jählings in die Menschenwelt zurückkatapultiert. Nachdem er realisiert, dass er wohl über 300 Jahre Menschenzeit weg gewesen ist, darf er sterben.

Noch ging niemand im Wald verloren — bei den Kirschbäumen unterhalb des Hofs Dottmesen dürfen wir uns mit Erlaubnis von Bauer Bichsel vom Sonnenhof ins Gras setzen. Das zarte finnische Kunstmärchen von Anni Swan “Kranich und Hirtenmädchen” passt zum allmählich verblassenden Tageslicht und der Weide, fast rings umgeben von Wald.

Beim nächsten Halt haben unsere Freunde, die Waldwichtel, bereits ein warm loderndes Feuer entzündet, wo wir die träumerische Geschichte von der Peri und dem Ifrit hören und gleich danach das bodenständige Märchen der Brüder Grimm “Das Waldhaus”.

Nun ist es stockdunkel, wäre es, wenn nicht der Lichterüberfluss des Dorfs Gelterkinden aus der Tiefe strahlen würde. Auch der kräftige Eisenbahnlärm erinnert uns daran, dass wir in der sogenannten realen Welt uns bewegen. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit, es geht schon gegen halb Zehn, entschliessen wir uns, direkt ohne Zwischenstation in den Gemeinschaftsraum der Wohngenossenschaft Chienbergreben zu gehen.

Die Hausgeister haben den Raum geschmückt und auch eine Stärkung bereitgestellt. Ein letztes Märchen schliesst den gelungenen Abend ab. Es erzählt von einem jungen Taugenichts, der bei einem alten Kräutersammler Geduld, Achtsamkeit und Bescheidenheit lernt und so sein Glück findet.

Magdalena, Regula, ich und noch ein paar Teilnehmende bleiben noch etwas sitzen, für die Nachfreude. Kurz und beflügelt aufräumen und Raum säubern. Gute Nacht.

Für den Rückblick und Ausblick: Wir wollen das wieder aufnehmen in einem Jahr; vielleicht schon eine halbe Stunde früher beginnen; Weglänge und 6 Märchen wären sonst ideal.

Vielen herzlichen Dank an Magdalena und Regula fürs Mitmachen und Mitorganisieren, Regula besonders für die Flyer-Idee. Dank auch an Yannick, den Feuer-Wichtel im Wald, an Ingrid für gute Ideen im Vorfeld und Taxidienst am Schluss, an Doris und Alex für die Mithilfe beim Aufräumen.

Anni Swan

Anni Swan (1875-1958) ist eine Märchen-Dichterin aus Finnland. Wie viele finnischen Künstlerinnen und Intellektuelle ihrer Zeit war ihr kultureller Hintergund eher vom Skandinavischen (Schwedischen) geprägt. Dennoch gingen gerade von diesen Menschen wichtige Impulse für die Erstarkung des finnischen Kulturguts aus.

Anni Swan befasste sich intensiv mit finnischen Sagen, Märchen und Epen. Sie verstand ihre Märchendichtungen immer als Beitrag zur finnischen Nationalkultur. Beim Lesen ihrer Märchen, leider kann ich das nur in einer deutschen Übersetzung (erschienen im Verlag Urachhaus), spürt man in der Sprache oft den Geist ihres Vorbilds Hans Christian Andersen. Während Andersen aber eindeutig für die städtische Kultur Dänemarks schrieb, kommt in Swans Märchen die Natur ausführlich zum Zug. So öffnen sich ihre Märchen auch der Märchenkultur Finnlands, in welchen die Landschaft und Tierwelt, die Naturwesen, schamanistische Rituale usw. präsent sind.

Anni Swans Märchen pendeln zwischen Andersen Kinder-Zauberwelt und dem Zauber skandinavischer Volksmärchen. So berühren mich manche Märchen sehr, wie zum Beispiel “Kranich und Hirtenmädchen”, während andere ihrer Geschichten mir eher als nette Novellen erscheinen. Bemerkenswert ist, dass bei Anni Swan ein typisches Märchenmotiv, der Kampf zwischen Gut und Böse, Hell und Dunkel nicht dominiert. Ihre Märchenheldinnen erreichen ihre Erfüllung einfach durch “Gutsein” und immer in der Verbindung mit der Natur.

Anni Swan schrieb im Prinzip für Kinder und Jugendliche. Trotzdem empfinde ich ihre Märchen keineswegs als “Kindergeschichten”. Es wäre sicher spannend, Swans Märchen in der Originalfassung lesen zu können. Bei der deutschen Übersetzung kribbelt es mich manchmal, wenn offensichtliche “Teutonismen” Einzug gehalten haben.

Kranich und Hirtenmädchen, Finnische Zaubermärchen von Anni Swan

Kranich und Hirtenmädchen, Finnische Zaubermärchen von Anni Swan

Aber wem die vermutlich vergriffene, bei Urachhaus erschienene Auswahl finnischer Zaubermärchen von Anni Swan in die Finger gerät, dem möchte ich die Lektüre wärmstens empfehlen !

Handwerker-Märt Röschenz 2008 (17.08.08)

Handwerker-Märt Röschenz (17.08.08)

Laufental

Röschenz liegt im Laufental, oberhalb des Städtchens Laufen.

Auf dem Markt eine schöne friedliche Stimmung. Der Handwerker-Markt ist offenbar eine weitherum bekannte Veranstaltung. Traditionelles Heim- und Handwerk wie Wolle-Verarbeitung (Karden, Spinnen, Färben), Bogen-Schnitzen, Drechseln, Papier-Schöpfen, Glas-Blasen, Bildhauerei und Verarbeitung von Steinen wird gezeigt und alle können etwas ausprobieren; Produkte sind feil.

Bilder vom Handwerker-Märt 2007, aufgenommen von der Bildhauerei Weber:

Handwerkr-Markt Roeschenz UebersichtHandwerkermarkt Roeschenz Bildhauerei 

Ich habe im Kreis im Freien zwei mal 30-40 Minuten Märchen aus Afrika erzählt:
2 längere Anansi-Geschichten; ferner “Ungalli” (der grosse Hunger) und “Bewahre deine Geheimnisse”;
und als Stilbruch zum Abschluss: Hans im Glück (nach Brüder Grimm KHM).
Publikum: Vorschulkinder, z.T. mit ihren Eltern. Das Erzählen im Freien gibt die Möglichkeit, ohne weitere Umstände sich in einer Pause zwischen zwei Märchen zu verabschieden. Ein Vorteil mit kleinen Kindern und zum Teil eher längeren Märchen.
Es ist gut, sich im Freien lautstark bemerkbar zu machen. Meine Djembe leistete dazu gute Dienste. Ob ein Arrangement mit Macurù-Themen wirklich passt, kann ich nicht beurteilen; aber gewirkt hat’s. Bei zwei weiteren Märchen habe ich kurze musikalische Einlagen mit Djembe und Kalimba (Daumenklavier) benutzt.


Verbindlichkeit von Anmeldungen

Ich schreibe eine Veranstaltung aus, die aus organisatorischen Gründen eine Anmeldung verlangt. Dann bekomme ich zwar viele Echos. Aber die meisten lauten sinngemäss: “Ich habe es mir notiert, wenn dann nichts anderes ist, komme ich vielleicht.”

In der Regel ist diese Antwort durchaus wohlmeindend. Aber es hilft nicht wirklich beim Organisieren eines Anlasses. Und es hat mit Prioritäten setzen und somit mit Wertschätzung zu tun.

Ich weiss, ich weiss, ich darf das nicht persönlich nehmen, weil es nicht persönlich gemeint ist. Und ich sollte nicht die Wertschätzung meiner Arbeit als Märchenerzähler mit meinem Ego verbinden.

Vielleicht ist das wirklich als Lehrstück für mich gedacht. Aber nervig ist es trotzdem…..

Ich werde wahrgenommen, also bin ich.

Mit dieser Abwandlung des berühmten “Ich denke, also bin ich” von Descartes beginnt B. von Guretzky einen Artikel über Wikis, Blogs und Wissensmanagement.

Der Artikel enthält eine gute Zusammenfassung über die bekanntesten “Web 2.0”-Tools, die in der einen  der anderen Form auch im Wissensmanagement Anwendung finden. B. von Guretzky beschreibt mehrere Beispiele und geht dabei vor allem auf die drei Themen “Blog”, “Wiki” und “RSS-Feed” ein. Obwohl nicht als “abschliessender” Beitrag gedacht, stellt der Artikel gut nachvollziehbare Gedanken zum Thema zusammen.

Aus philosophischer Sicht sind zwar beide Ansätze sehr diskutabel, weil sie, sowohl unser Denken wie auch unser Drang wahrgenommen zu werden, durch ihre Verknüpfung mit dem Ego gerade den Blick auf das Sein verhindern. Aber darum geht es ja hier auch nicht. Es geht eher darum, wie die zunehmende Bereitschaft der Menschen, sich und ihr Wissen zu präsentieren dem Erfolg eines Unternehmens dienen können. Und da geht es nicht um das Sein, sondern um das Haben.

Wer mit Jugendlichen in der Ausbildung arbeitet, teilt vielleicht meine Erfahrung, dass Lernende viel unkomplizierter sind als früher, wenn es darum geht sich und ihr Wissen zu präsentieren. Dies macht die Kommunikation einfacher, und Vorträge halten und Präsentieren stresst nur noch, weil dies arbeitsintensive Vorbereitungen bedingt. Möglich, dass die Volksschule Präsentieren besser in ihren Lehrplan verwirklicht hat als früher, wo jeder Vortrag für die Lernenden ein Horrorszenario bedeutete. Bestimmt befinden wir uns aber diesbezüglich in einem kulturellen Wandel, für welchen die Blog-Szene nur ein Symptom ist.

Wilhelm Grimm, Heliand und Parzival

Die Brüder Grimm waren Philologen und gehörten zu den ersten Germanisten, welche die Wörter der deutschen Sprache in der Literatur bis ins Mittelalter zurückverfolgten. So erschien 1854 als ihr Hauptwerk (neben den viel bekannteren Kinder- und Hausmärchen) das „Deutsches Wörterbuch“, in welchem nebenbei gesagt das Wort „Glaube” 70 Seiten einnimmt.

Aus den Vorlesungs-Vorbereitungen von Wilhelm Grimm ist ersichtlich, dass er sich intensiv mit den beiden Epen „Der Heliand” (aus dem 9. Jhdt.) und „Parzival” (Wolfram von Eschenbach, 13. Jhdt.) befasste und ohne Zweifel darin auch die Bezüge zu den Märchen suchte. Weiterlesen

Beginn und Ende der Vorrede von 1810

Wir finden es wohl, wenn Sturm oder anderes Unglück, vom Himmel geschickt, eine ganze Saat zu Boden geschlagen, daß noch bei niedrigen Hecken oder Sträuchen, die am Wege stehen, ein kleiner Platz sich gesichert und einzelne Aehren aufrecht geblieben sind. Scheint dann die Sonne wieder günstig, so wachsen sie einsam und unbeachtet fort, keine frühe Sichel schneidet sie für die großen Vorrathskammern, aber im Spätsommer, wenn sie reif und voll geworden, kommen arme, fromme Hände, die sie suchen; und Aehre an Aehre gelegt, sorgfältig gebunden und höher geachtet, als ganze Garben, werden sie heimgetragen und Winterlang sind sie Nahrung, vielleicht auch der einzige Samen für die Zukunft. So ist es uns, wenn wir den Reichthum deutscher Dichtung in frühen Zeiten betrachten, und dann sehen, daß von so vielem nichts lebendig sich erhalten, selbst die Erinnerung daran verloren war, und nur Volkslieder, und diese unschuldigen Hausmärchen übrig geblieben sind.
……
Wir übergeben dies Buch wohlwollenden Händen, dabei denken wir überhaupt an die segnende Kraft, die in diesen liegt, und wünschen, daß denen, welche diese Brosamen der Poesie Armen und Genügsamen nicht gönen, es gänzlich verborgen bleiben möge.
Cassel, am 18ten October 1810.
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Brüder Grimm: Religion und Märchen

Die Brüder Grimm betrachteten Märchen auch unter dem Aspekt der Erinnerung an alten Glauben (germanisch, griechisch-römisch) und alte religiöse Praktiken, verpackt in poetische Geschichten der aktuellen Zeit.
Die Absicht der (Zauber-) Märchen ist es, Herzenskräfte zu wecken, an erster Stelle die Liebe. In den Märchen begegnet die Liebe den dunklen Kräften und dem Tod und überwindet diese.

Von Wilhelm Grimm kann vermutet werden, dass er eine grosse Spiritualität im Sinne des Johannes-Evangeliums pflegte, in welchem die allumfassende Liebe als Gebot und der Gedanke der Präsenz Gottes als Ursprung von Allem (Jesus Christus als Vereinigung von Gott und Welt; Ich und der Vater sind eins. Joh. 10,30) im Vordergrund stehen.

Diesen beiden Aspekten widmete er auch seine Forschungstätigkeit in den antiken und germanischen religiösen Schriften sowie in den mittelalterlichen deutschen Epen.

Diese Vermutungen über Wilhelms Verhältnis zur Religion sind begründbar durch eine Analyse seiner Hervorhebungen und Randnotizen in seiner Bibel und in den relevanten Werken der Literatur. Die dazugehörigen Forschungsresultate verdanken wir vor allem G. Ronald Murphy, S.J., welcher eine Interpretation seiner Arbeiten in seinem Buch „The Owl, the Raven, and the Dove” (2000, Oxford University Press) publizierte.

Märchen oder Autor interpretieren ?

Bei den meisten Märchenbetrachtungen, die ich antreffe, fällt mir auf, dass die Autorinnen und Autoren dazu neigen, einzelne Sätze oder sogar Wörter herauszugreifen und daran ganze Hypothesenkonstrukte aufzuhängen.

Dabei geht oft vergessen, dass die uns vorliegenden schriftlichen Fassungen der Märchen eine Version des Märchenmotivs darstellen. Wenn wie zum Beispiel bei den KHM der Brüder Grimm eine ganze Reihe von aufeinanderfolgenden Ausgaben vorliegen (von der nicht zur Veröffentlichung gedachten Urfassung von 1807/10 bis zur berühmten Ausgabe „letzter Hand” von 1857), sehen wir, wie intensiv die Märchentexte bearbeitet und verändert wurden. Oft wird in den Interpretationen schliesslich nicht das Märchen interpretiert, sondern vielmehr die Intention des letzten Autors. Im Fall der Brüder Grimm sagen die meisten psychologisch orientierten Interpretationen viel über Wilhelm Grimm und seine Zeit und oft wenig über das ursprüngliche Märchenmotiv aus.

Die Märchen werden also durch manche Interpretationen aus ihrem kulturellen und literaturhistorischen Zusammenhang herausgerissen und in einer gewählten Text-Fassung zum für Jahrtausende gültigen Monument gemacht.