Kategorie-Archiv: Märchen und mehr …

Der Märchenkreis ohne Namen

Es ist einmal …

Seit vielen Jahren treffen sich Märchenerzählerinnen und Märchenerzähler aus der ganzen Nordwestschweiz 3 bis 4 mal jährlich um auszutauschen.

Sie erzählen sich ihre neusten Entdeckungen im Märchenschatz der Menschheit. Sie erzählen von ihren Erfahrungen an eigenen Veranstaltungen und tauschen Tipps aus. Sie phantasieren oder planen konkret neue Märchenveranstaltungen in der Region. Weiterlesen

Träume in den Märchen

[Beitrag in Entwicklung]

„Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“

Träume in den Märchen (und nicht nur in den Märchen) öffnen ein Fenster zum kollektiven Wissen, übermitteln Botschaften aus der geistigen Welt. Sie helfen den Märchenheldinnen und -helden bei Entscheidungen, geben Hinweise auf Problemlösungen, warnen vor Gefahren oder zeichnen den zukünftigen Weg auf.

Die Träume in den Märchen haben also eine ähnliche Bedeutung wie die verschiedenen „Alten“ (alte Männer, alte Mütterchen) oder die Naturwesen, denen die Märchenheldinnen und Märchenhelden begegnen.

Die Träume in den Märchen sind nicht Vergangenheitsbewältigung oder Kompensation von Mangelerfahrungen (entsprechend des Defizit-orientierten Ansatzes von S. Freud) sondern in die Zukunft gerichtet (also eher dem Ansatz C.G. Jungs entsprechend). Dies geht natürlich mit einem allgemeinen Charakteristikum der Märchen einher, nicht mit der Vergangenheit zu hadern, an den Problemen und Defiziten hängen zu bleiben, sondern vertrauensvoll und Ressourcen-orientiert auf dem Lebensweg voran zu gehen. Weiterlesen

Märchen und Mythen

Tafel mit Gilgamesch-Epos

Mythen …

(Bild: Tafel mit Gilgamesch-Epos) Mythen sind Geschichten aus uralter Zeit. Immer versuchen sie eine Erklärung oder Herleitung für Dinge und Umstände zu finden, für welche keine bekannten Tatsachenberichte oder anderen rationalen Erklärungen vorliegen. Mythen erheben immer einen gewissen wissenschaftlichen Anspruch im Sinne, dass sie fundierte Erklärungsmodelle, Theorien liefern.

Keine Kultur, keine Religion kommt ohne Mythen aus. Oft verhelfen die Mythen sogar zur Identitätsfindung eines Volkes oder einer Kultur. Ohne die Mythen aus den Hochkulturen des Vorderen Orients und Ägyptens wüssten wir wenig über die grossen kulturellen Umwälzungen beim Übergang von den matrifokalen zu den patriarchalischen Gesellschaften. Ohne die Mythen des griechischen Altertums hätten wir nur eine sehr bescheidene Vorstellung vom alten Griechenland. Ohne das Alte Testament wäre kein Volk Israel, kein jüdischer Staat denkbar; und natürlich auch keine Christenheit. Der Mythos von Wilhelm Tell hat die Kultur der Schweiz und der Schweizer geprägt, selbst bei denen, die die Existenz Wilhelm Tells völlig verneinen.

Bodmin Moor (Cornwall UK): König Arthurs HalleHeute ist das Thema der Entstehung der Welt bei uns „entmythifiziert“. Aber Menschen brauchen offenbar Mythen. Die modernen Mythen befassen sich mit uns näherliegenden Themen, wie etwa die Mythen, die sich um das Geld, um das Gehirn, um medizinischen Fortschritt oder um die Bedeutung der Information drehen. Auch moderne Mythen erheben wie im Altertum den Anspruch wissenschaftlich fundiert zu sein.

Typisch für die Mythen war und ist nicht nur ihr Anspruch, Geschichtsschreibung und fundierte Theorie zu sein, sondern auch, dass es viele verschiedene, widersprüchliche Erklärungsmodelle für die Welt geben kann. Oft existierten zur gleichen Zeit in derselben Kultur Mythen, die analytisch betrachtet sich völlig widersprachen. Selbst im Alten Testament gibt es zwei Versionen der Entstehung des Menschen. Auch Gott erscheint einerseits als Elohim, dem freundlichen und fürsorglichen Gott, in welchem die Götter der Nachbarvölker der Israeliten zum höchsten Gott vereint sind (deshalb ist Elohim ein Plural) und der in Genesis 1 liebevoll die Welt erschafft und sich selber daran freut. Anderseits und zunehmend erscheint Gott als strenger patriarchalischer Jahwe, der Adam und Eva aus dem Paradies wirft und später das Volk Israel zu militärischen Siegen führt.

… und Märchen

In den Märchen ist im Gegensatz zu den Mythen die Welt einfach da; sie ist wie sie ist. In Entwicklung sind dafür umso mehr die Menschen. Für sie möchte das Märchen Hilfe und Anleitung auf den Lebensweg geben, ermutigen und Zuversicht verbreiten, dass der Weg, obwohl gespickt mit Prüfungen, letztlich zu einem guten Ende führt.

Die Gemeinde- und Schulbibliothek Gelterkinden führt seit mehreren Jahren die Tradition des freien Erzählens von Märchen weiter. Freuen wir uns auch dieses Jahr auf das Hören und Miterleben von Märchen und Mythen.

Nähere Auskunft: Urs Volkart Tel 061 981 44 72, urs.volkart@maerchenquelle.ch;
oder Gemeinde- und Schulbibliothek Gelterkinden, Sissacherstrasse 20, Telefon 061 981 43 81.

Ein Märchenabend in der Sternwarte Schafmatt

Märchen und Sagen von Mond und Sonne, Planeten und Sternen, erzählt in einer Sternwarte. Ein grosses Spiegelteleskop dominiert den Zuschauerraum. Draussen pfeift der Wind und prasselt der Regen. Keine Chance, dass Dach der Sternwarte zu öffnen, um den Mond , den Planten Jupiter und die Sternbilder „live“ zu sehen.

Urs erzählt in der Sternwarte

Urs erzählt in der Sternwarte. Das tolle Spegelteleskop steht halbverhüllt im Zentrum.
Das Dach bleibt geschlossen. Draussen “chuttet’s”.

Was eher nach einer na ja-Veranstaltung tönt, war in Wirklichkeit ein stimmungsvoller Abend in der Sternwarte Schafmatt, auf dem Jura-Passübergang zwischen Oltingen und Rohr. Ich erzählte eine bunte Folge von Märchen von Mond, Sonne und Sternen im ersten Teil. Im zweiten Teil gab es Geschichten zu einigen Sternbildern und dazu die antike Sage von Jupiter und Kallisto.

Heiner Sidler AVA

Heiner Sidler von der AVA erzählt, was die Astronomen über den Mond wissen.

Heiner Sidler von der astronomischen Vereinigung Aarau (AVA), der die Sternwarte gehört, berichtete aus der Sicht der Astronomen und erläuterte dem interessierten Publikum aktuelle Hypothesen und Theorien zum Mond, zu Meteoriten und zum Planetensystem. Obwohl das Publikum eher von der „Märchenseite“ her gekommen war, folgte es fasziniert seinen Ausführungen.

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Danaë – etymologisches und etwas mythologisches

Die Geschichte von Danaë und Perseus >>

Betrachtung zur Geschichte von Danaë >>

Danae auf einer böotischen Gefäss des 5. Jhdts. aCnDanaë soll etymologisch „ausgedörrt”, „am Verdursten” bedeuten, also vom griechischen Adjektiv δανóς  her kommen, so hergeleitet z.B. in Wikipedia .

Obwohl das angesichts der möglicherweise nach Liebe dürstenden Danaë, welche ja auch mit einem goldenen Regen beglückt wird, inhaltlich plausibel erscheint, sprechen m.E. sprachliche Gründe dagegen:

  1. Das erste „a” in δανάη ist kurz, während dasjenige in δανóς =„trocken, dürr” lang ist. Vokallängen in Wortstämmen sind sprachgeschichtlich aber eher konservative Elemente.
  2. Das Adjektiv δανóς ist endbetont, während δανάη auf der zweitletzten Silbe betont wird.
  3. Der Wortstamm „dăn” mit kurzem „a” bedeutet im indoeuropäischen „Wasser”.
  4. Der Wortstamm „dān” mit langem „a” bedeutet im semitischen „Richter” und findet sich auch in der Bibel. Eine Verbindung zur Danaë und dem Stamm der Danaër in der antiken Argolis ist nicht ersichtlich.
  5. Ein „αν” oder „α” als Präfix könnte im griechischen durchaus eine Negation („wasserlos”) sein.
    Dass dies auch für ein nachgestelltes „-α(ν)” gälte, ist mir als Laien noch nie begegnet.

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Drachenkräfte — von den Drachen in uns und um uns herum

Die folgenden Gedanken erheben weder Anspruch auf vollständige Behandlung des Themas noch auf Wissenchaftlichkeit. Als Grundlagen dienten mir verschiedene Artikel in der Zeitschrift Märchenforum 1/09. Ausserdem erhielt ich Impulse bei der Lektüre eines Buches von Fritz Bachmann: „Getragen von Engeln und Elementarwesen“. Eigene Nachforschungen führten mich weniger zu den Brüdern Grimm als in die Bibel. Und die Quellen vieler Assoziationen kann ich nicht mehr rückverfolgen – da sammelt sich eben bei mir allerlei Wissen ohne Quellenerinnerung an.

Urs Volkart, im April 2009 Weiterlesen

Die Madonna und der Drache

Zusammenfassung von Motiven und einige Gedanken zu diesem Märchen, das sich unter anderem in folgendem Büchlein findet:
Studer-Frangi, Silvia (2008), Italienische Märchen, Königsfurt Verlag, ISBN: 3-86826001-3.

Der Handlungsablauf des Märchens geht, ganz unmärchenhaft zusammengefasst, so:

  1. Es gibt einen besonderen Ort, wo man um Mitternacht Glocken läuten hört.
  2. Dort tief unten befinden sich in einer Höhle, zugänglich durch einen Erdspalt, ein Drache und die heilige Madonna.
  3. Die Madonna hütet den Drachen und verhindert durch Läuten der Glocken, dass der Drache um Mitternacht an die Erdoberfläche steigt und Leute verschlingt.
  4. Eine Frau, die alles Vertrauen ins Leben verloren hat und “am Ende” ist, nicht mehr singen kann, nutzt ihre Chance und steigt in die Höhle hinunter.
  5. Sie hilft der erschöpften Maria beim Läuten der Glocken bzw. singt, um den Drachen im Zaum zu halten.
  6. Der Drache verwickelt seinen Schwanz in die Glockenseile und kann sich fortan selber mit Geläut beruhigen.
  7. Die Madonna geht mit der Frau mit und hilft ihr im Leben.
  8. Die Frau mag wieder singen.

Bemerkenswert ist, dass hier nicht der Drache die Jungfrau hütet, sondern die Jungfrau den Drachen (3, 5). Es handelt sich eben nicht um eine gewöhnliche Jungfrau, sondern um die Madonna, die spirituelle Tochter der Gaia. Oder wie ich es kürzlich gehört habe: die durch Christuskraft transformierte Gaia.

Die Frau findet in der Höhle (4) meiner Meinung nach also nicht nur ihre Urkraft, den Drachen, sondern zugleich ihren durch die Madonna symbolisierten göttlichen Kern. Kein Wunder, dass sie nach diesem Abenteuer, welches sie vor dem Selbstmord oder der Depression gerettet hat, wieder singen mag (8). Sie hat den Zugang zu ihrem wahren Selbst und zu ihrer Stärke gefunden, was ihr im Leben hilft (7).

Höhlen sind der Schoss von Mutter Erde. Dorthin ziehen sich Drachen zurück, die an der Erdoberfläche verdrängt werden (2). Wir Menschen oben nehmen sie als Bedrohung war und fühlen uns als Opfer. Sicherheitshalber muss der Drache deshalb in der Höhle bleiben (6).

Zahlen im Märchen

Die sieben RabenDie Verwendung der Jahrtausende alten Zahlensymbolik unterstreicht, dass die Märchen 

  1. eine uralte Tradition haben,
  2. etwas allgemein Gültiges aussagen und
  3. wie die Mythen die göttliche Ordnung der Welt darstellen wollen.

Zur Zahlensymbolik und Zahlenmystik (Numerologie) gibt es sehr viel Literatur jeglichen Niveaus. Da die Bedeutung der Zahlen nicht in allen Kulturen genau dieselbe ist, müssen wir in den Märchen (wie bei allen Deutungsversuchen) den kulturhistorischen Kontext beachten. Unsere europäischen Märchen sind natürlich stark geprägt von der jüdisch-christlichen Zahlenmystik, von welcher es ja auch in der Bibel wimmelt.

Beispiele mit möglichen Anwendungen im Märchen:

 1

Einheit, Einzigartigkeit, in der Regel als Ziel des Märchens (Heirat), aber auch als Anfang (Göttlicher Ursprung).

 2

Teilung (unten-oben, Tag-Nacht. Yin-Yang usw.).

 3

Vater-Mutter-Kind, Trinität, eine vollkommene Einheit (oft am Anfang und am Ende eines Märchens); starke Bestätigung.
In den Märchen sehr verbreitet für Wiederholungen (Handlungserfolg erst im 3. Anlauf).

 4

etwas Umfassendes, alles abdeckendes (Die 4 kunstreichen Brüder),
das Irdische (im Gegensatz zur himmlischen Zahl 3).

 5

Pentagramm vor allem in der jüdisch-orientalischen Zahlenmystik als Symbol für den Menschen, selten im Märchen.

 6

noch nicht vollkommen (→ 7), erst die Hälfte von 12;
nicht so oft im Märchen verwendet (Sechse kommen durch die ganze Welt);
Mathematik: 6 ist eine perfekte Zahl 1+2+3=6 und 1x2x3=6.

 7

Vollendung eines wiederholbaren Zyklus’. Vollkommenheit. 3+4=7.
Als Zahl verbreitet in den Märchen (7 Geisslein, Zwerge, Raben, Schwaben; Sieben auf einen Streich usw.)

 12

Heilige Ordnung. Im Altertum war ja das Duodezimalsystem weit verbreitet.

 13

Störung der heiligen Ordnung (Die 13. Fee im Dornröschen).

 40

beliebt für Zeitangaben (40 Jahre entsprechen 1 Generation). Dauer von Prüfungen.

Beliebt sind auch Vielfache dieser Zahlen.

Sehr typisch sind in den Märchen die Wiederholungen, von Ereignissen, Versen usw. Meistens braucht es drei Anläufe bis die Geschichte weitergehen kann.