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Märchenstubete 2008-1 “Our Lady’s Child” (23.05.08)

Verschweigen oder Verleugnen

Märchenstubete — endlich wieder einmal

Maria im Ährenkleid

Verschweigen oder Verleugnen

(→Betrachtung )

Urs Volkart erzählte Märchen von der Begegnung mit dem Geheimnis der schwarzen und der weissen Göttin, am  Freitag, 23. Mai 2008, 19.30 bis 21.00 Uhr, am Ebnetweg 34, 4460 Gelterkinden (→Plan)

13 engagierte Zuhörerinnen und Zuhörer genossen die folgenden Märchen, und es ergab sich ein lebhafter Gedankenaustausch bei einer Tasse Tee (und Ingrid’s guten Lebkuchen).

Liste der erzählten Märchen:

  • Die grüne Jungfer    (Deutschland, Harz)
  • Die Tochter des Schmieds   (Slowakei)
  • Marienkind    (Brüder Grimm, Urfassung 1807)
  • Das Erdkühlin   (Elsass) (→Bemerkung)
  • Bewahre deine Geheimnisse   (Westafrika)

dazwischen: Betrachtung zu den erzählten Märchen (→Betrachtung).
(Kommentarseite folgt)

Quellenangaben für die Märchen:

  • Die grüne Jungfer: Ey, August, Harzmärchen, Nachdruck der Originalausgabe von1862, Olms-Verlag, 1996
  • Die Tochter des Schmids: Sirovatka, O. und Luzik, R., Slawische Märchen, Artia/Dausien 1971
  • Marienkind: Derungs, Kurt, Die ursprünglichen Märchen der Brüder Grimm, Edition Amalia 1999
  • Das Erdkühlin: Wesselski, Albert, Deutsche Märchen vor Grimm, R.M. Rohrer-Verlag 1938
  • Bewahre deine Geheimnisse: Carter, Angela, The Old Wives Fairy Tale Book, Pantheon Books 1990

Bildquellen:
Maria im Ährenkleid, Tirol um 1450 (→Tiroler Landesmuseum Innsbruck)
Kali (→Quelle)
Schwarze Madonna, Einsiedeln um 1460 (→Quelle)

Kali Schwarze Madonna


Our Lady’s Child (ATU 710)

Für die Märchenstubete vom 23.05.2008 habe ich eine Betrachtung zum Märchentyp AT 710 “Our Lady’s Child” oder “Die Patin” verfasst.

Einige Gedanken zum Märchentyp “Our Lady’s Child”.

Manches stammt aus den Notizen zum Symposium “Das Geheimnis der Patin”, veranstaltet 15.-17. Juni 2007 von der Schweizerischen Märchengesellschaft  in Einsiedeln. Einiges auch aus Gesprächen mit meiner Ehepartnerin Ingrid Gauer.

Die drei Märchen, die ich an diesem Abend in der ersten Hälfte erzählt habe, gehören alle zum selben Mächentyp. Die offizielle Bezeichnung (ATU 710) lautet: “Our Lady’s Child”, also das Kind unserer Frau, wobei mit Lady natürlich eine mächtige und hochstehende Frau gemeint ist. Andere Bezeichnungen für diesen Märchentyp sind “Das Geheimnis der Patin”, “Die schwarze Madonna” oder einfach nach dem Titel des Märchens bei den Brüdern Grimm “Marienkind”: Der rote Faden in diesem Märchentyp ist in der Regel:

  1. Tochter eines armen Mannes wird von einer mächtigen Frau aufgenommen.
  2. Mädchen hat es gut und erhält Zugang zu allem.
  3. Es gibt eine Tür, die Tabu ist und ein Geheimnis birgt, etwas Grossartiges oder Ungeheuerliches, worüber das Mädchen später nicht reden darf oder kann.
  4. Nach dem Brechen des Tabus (in der Pubertät oder Adoleszenz) muss sie den Ort der mächtigen Frau verlassen, wird meist stumm und schliesslich von einem König aufgenommen und geheiratet.
  5. Sie bringt mehrere Kinder zur Welt. In der ersten Nacht erscheint immer die mächtige Frau, fragt sie nach dem Tabubruch.
  6. Die Königin gesteht nicht oder verrät nichts, und die Frau nimmt ihr das Kind.
  7. Die Königin kommt als Kindsfresserin auf den Scheiterhaufen.
  8. Die mächtige Frau erscheint noch einmal. 2 Varianten: Die Königin gesteht endlich und wird erlöst (christliche Variante) oder sie bleibt verschwiegen und erlöst durch ihre Standhaftigkeit nicht nur sich sondern oft auch die mächtige Frau.
  9. Kinder zurück, Sprache zurück, Happy End.

Diese Märchen wecken natürlich eine ganze Reihe von Assoziationen und werfen viele Fragen auf. Zum Handlungsablauf fragen wir uns zum Beispiel:

Vom kulturellen Hintergrund her würden wir auch gerne wissen:

Und das führt uns zurück zur Frage:

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Wieso bricht das Mädchen das Verbot ?

SchlüsselIn allen Märchen hat das Mädchen den Zugang, den Schlüssel zum verbotenen Zimmer. Es ist also zwangsläufig, dass sie das Verbot übertritt, obwohl sie damit ihr bequemes Leben im Paradies aufs Spiel setzt. Sie soll auf ihrem Entwicklungsweg die letzten grossen Geheimnisse erfahren, auch wenn sie damit Tabus und Verbote bricht. Es geht um den für sie entscheidenden Entwicklungsschritt.
Dass sie den Schlüssel auch zum verbotenen Zimmer erhält, ist meines Erachtens nicht eine Prüfung, ob sie das Verbot befolgen kann, sondern umgekehrt: sie erhält das Verbot als Prüfung, ob sie sich getraut auch die letzte Wahrheit zu erkunden.
Typisch ist, dass dies meist im Alter von 14 Jahren geschieht, zu einer Zeit, wo früher die Mädchen nicht nur biologisch sondern auch gesellschaftlich zur Frau wurden.
Der Rausschmiss aus dem Paradies ist der Beginn einer neuen Lebensphase als junge Frau. Und der König, der sie heiratet, lässt nicht lange auf sich warten. Der Abschluss dieser Entwickung (Initiation) kann allerdings erst nach einigen harten Prüfungen erfolgen ……..

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Weshalb leugnet beziehungsweise verschweigt die junge Frau ?

Petrus der SchweigerDas standhafte Schweigen ist angesichts der Bedrohung (Kinder weg, Scheiterhaufen) vordergründig kaum nachvollziehbar.

Mögliche Verständnisfäden:
Das Wissen, das sie durch ihre verbotene Aktion erhält, ist kulturgeschichtlich gesehen nicht “Allgemeinwissen” sondern “Geheimwissen”. Und nur durch Verschwiegenheit, selbst wenn man ihr die eigenen Kinder wegnimmt, oder unter Todesdrohung, erweist sie sich würdig, einen Schritt zur Höherentwicklung (Erlösung) tun zu können.
In der Neuzeit wurde dieses Wissen im Prinzip allen Menschen zugänglich gemacht (Christentum, Islam, fernöstliche Religionen; auch wenn das die institutionalisierten Kirchen nicht gerade fördern). In unserem Märchen braucht es aber “einiges”, bis Marienkind am Ende zu ihrer Erfahrung stehen kann (gesteht). > siehe weiter unten

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Wer ist denn diese mächtige Frau ?

Die Forschung hat zweifelsfrei ergeben, dass es sich bei der “Lady” um die grosse Göttin oder zumindest eine hohe Priesterin der grossen Göttin handelt. Mit der grossen Göttin meine ich die allmächtige, mit weiblichen Attributen ausgestatte Gottheit, die vor dem Übergang zum patriarchalischen Gottesbegriff verehrt wurde als Versuch, sich die höchste Macht und Energie vorzustellen.

Schlangengöttin von Knossos

Typisch ist ihre starke Verbindung mit der Erde und der Natur, damit auch der Fruchtbarkeit und Ernährung. Die Farben schwarz (Erd-Farbe) und grün (Natur) werden oft dafür gebraucht. Die hoch verehrten schwarzen Madonnen (z. B. Chartres, Le-Puy-en-Velay, Einsiedeln) oder die Madonnen in grünen, mit Kornähren verzierten Kleidern zeugen davon, dass diese Aspekte auch im Christentum weiterleben (siehe Bilder auf der Veranstaltungseite). Auch die ihr Kind stillenden Madonnen haben natürlich diese nährenden Aspekte.
Dieses Schwarz soll uns ferner daran erinnern, dass auch das Dunkle nichts anderes als göttliche Energie ist (Diese dunklen Gottesaspekte stehen für uns heute im religiösen Leben eher abgespalten im Hintergrund oder werden einem Gegenspieler von Gott [Teufel] zugeschrieben).

Eine weitere starke Verbindung der grossen Göttin besteht zum Wasser und zu den nächtlichen Gestirnen, also Mond und Sternen, hier kommen blau und silbern als Farben dazu. “Himmelblau”, “Wasserblau” und “Nacht” sind nicht nur häufige allgemeine weibliche Attribute sondern auch ins Christentum übernommen in den zahllosen Darstellungen der Maria als blau gekleidete Mondkönigin oder mit einer Sternenkrone.

Eine andere wichtige Farbabstufung im Zusammenhang mit der weiblichen Göttlichkeit ist die Reihe weiss – rot – schwarz:

  • Weiss steht für die hellen, lichten Aspekte, aber auch für die kindliche Reinheit und Ganzheit. Die jungfräuliche Maria hat diese Aspekte der grossen Göttin geerbt. Diese hellen Lichtaspekte stehen für uns heute im religiösen Leben eher im Vordergrund.
  • Rot steht für die junge, reife Frau, für physisches Leben und Sinnlichkeit. Wir erinnern uns an das rote Kleid des Marienkinds, nachdem es aus dem Paradies geschmissen wurde.
  • Schwarz steht für die weise alte Frau, die vor ihrem physischen Ende steht. Gleichzeitig ist sie aber auch die Verderbende, denn nur so kann der Zyklus von Wiedergeburt, Leben und Tod aufrecht erhalten werden. In diesem Sinne könnte man die Erlösung der schwarzen Frau zur weissen als Bild für Tod und Wiedergeburt interpretieren.

Psychologisch gesehen bedeutet die Erlösung der schwarzen Frau vielleicht die Rehabilitation der weiblichen Göttlichkeit, welche in den patriarchalischen Religionen eingeschwärzt wurde.

Eine Interpretation dieser Erlösung auf geistiger Ebene könnte sein, dass im göttlichen Schöpfungsplan letztlich alles Dunkle, auch die dunklen Aspekte des Göttlichen, zu Licht werden.

Wichtige Autorinnen und Forscherinnen auf diesem Gebiet sind Ingrid Riedel und Heide Göttner-Abendroth , die eine ganze Reihe von Büchern um das Thema der grossen Göttin verfasst haben. Ein ausführlicher Beitrag von Ingrid Riedel findet sich auch im > Internet .


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Was wird in dem Märchen eigentlich beschrieben ?

Ich möchte mir in keiner Weise anmassen, das Märchen zu verstehen oder als Gesamtes deuten zu können. Vielmehr sehe ich ein Gewebe von verschiedenen Sinnsträngen und damit verbundenen Aussagen.

Der erste Teil des Märchens beschreibt ursprünglich vermutlich die Initiation eines Mädchens, durch welche es ins eigentliche Leben als junge Frau geworfen wird. Es kommt zu einer hochgestellten Frau, die sie “Zimmer für Zimmer” ins Leben einführt, wobei das Mädchen eigentlich völlig auf sich selbst gestellt ist. Die Prozesse dieser Entwicklungszeit muss eben jeder Mensch individuell durchmachen; Erwachsenwerden ist ein Erfahrungs-, kein Lehrbuchwissen.
Von der Religion her betrachtet gibt es in vielen Märchen dieses Typs Hinweise, dass es sich auch um die Beschreibung einer Initiation zu einer Priesterin handelt (schamanistische Symbole) (vergleiche dazu Kurt Derungs : Vortrag am oben erwähnten Symposium).

Im zweiten Teil erfolgt dann die Bewährung,  die Schweigepflicht, denn in den alten Mysterienkulturen war ein grosser Teil der Erkenntnis des Göttlichen ein Geheimwissen.
In den meisten heutigen Religionen besteht diese Schweigepflicht nicht mehr. Es geht um das Bekennen (also in der Sprache des Märchens um das Gestehen). Im “Marienkind” wäre das Bekennen gefordert, aber die Gotteserfahrung, welche das Mädchen im verbotenen Zimmer macht, ist zu gewaltig, als dass sie das so locker bekennen könnte, auch nicht gegenüber der Maria, die hier nebenbei gesagt sehr streng und gar nicht milde auftritt.
Und immer wieder begegnet die junge Frau ihrer Vergangenheit bei der Lady und wird damit mit deren Geheimnissen konfrontiert, bis sie diese integrieren kann.

Diese Integration ist zugleich ihre Erlösung.

Zur Erlösung der mächtigen Frau: > siehe oben

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Was ist Neve Shalom – Wahat al-Salam ?

»» Web-Site von NSWAS.

In erster Linie ein Dorf, in welchem jüdische und arabische Israeli gleichberechtigt miteinander leben. Die Mission von NSWAS ist in diesem Sinne ein Modell für das Leben in Palästina zu zeigen.

Die tragische Geschichte beider Volksgruppen, gekennzeichnet von Verfolgung, Vertreibung und Unterdrückung, lastet als schwere Hypothek, die nur durch gegenseitige Achtung, Vergebung und Liebe abgebaut werden kann. Jeder religiöse oder nationalistische Feiertag birgt Konfliktpotenzial, nicht zu reden von kriegerischen Auseinandersetzungen. Versammlungen der Bewohner/innen, in welchen die Konflikte ausdiskutiert werden, verhindern erfolgreich das Auseinanderbrechen. Eine strikte 50:50-Quotenregelung soll wenigstens äusserlich verhindern, das die einen die anderen dominieren. Von der ursprünglichen Idee, auch Menschen anderer Religionen oder Volkszugehörigkeit mitwirken zu lassen, kamen die Gründer/innen von NSWAS bald ab, um das Vorhaben nicht noch weiter zu komplizieren. 

 

Eine tragende Säule von NSWAS ist das zweisprachige, binationale Schulsystem das mittlerweile von der Kinderkrippe bis in die Sekundastufe 1 reicht. In die Schule von NSWAS kommen auch Kinder aus den umliegenden Dörfern, denen das Apartheitssystem der israelischen Staatsschule zuwider ist. Hebräisch und Arabisch sind gleichberechtigte Unterrichtssprachen, Kultur und Tradition beider Volksgruppen werden gleichrangig gepflegt. Die Schule von NSWAS ist, obwohl vom Staat lange nicht akzeptiert und eher sabotiert, eine Erfolgsgeschichte. Auch wenn die Absolventen der Schule in NSWAS später staatliche Gymnasien usw. besuchen, ihre Erfahrungen bestimmen ihr von Achtung und Toleranz geprägtes Verhalten dann auch in den weitestgehend getrennten Staatsschulen. 

 

Eine weitere erfolgreiche „Schule“ ist die sogenannte Friedensschule, in welcher Jugendliche und Erwachsene in Workshops und Begegnungstrainings lernen sich gegenseitig zu achten und Vertrauen aufzubauen. 45’000 junge Menschen haben in den letzten 25 Jahren an längeren oder kürzeren Veranstaltungen der Friedensschule teilgenommen und nehmen ihre Erfahrungen in ihren Alltag zurück. Siehe zum Beispiel den Beitrag über Naomi Mark !

 

Humanitäre Aktivitäten, Workshops für Frauen, sowie Gäste-und Volontären-Programme usw. gehören ebenfalls zum Leben und Angebot von NSWAS.

Der Streit um den Bart des Märchenerzählers

Unterschiede der Märchengattungen.

Unterschiedliche Erzählformen.

Wann ist ein Märchen ein Märchen ?

Die Unterscheidung zwischen Märchen, Sagen und Legenden, zwischen verschiedenen Mächenarten und -typen ist für die Märchenforschung ein wichtiges Hilfsmittel.

Wir Märchenerzählerinnen und Märchenerzähler haben als Künstlerinnen und Künstler die Freiheit, diese Kategorien bunt zu kombinieren und weiter zu gestalten.

Je weiter wir uns von der mitteleuropäischen Märchenkultur entfernen, desto weniger klar sind die Grenzen dieser Kategorien. In den Geschichten der aussereuropäischen Kulturen sind die Unterscheidungskriterien kaum noch anwendbar.

Auch die Brüder Grimm “hielten sich nicht an die Regeln”, die ja erst nach ihrer Zeit aufgestellt wurden. Ihre Kinder- und Hausmärchen enthalten neben den Zauber- und Schwankmärchen auch einige Fabeln und Legenden (wie zum Beispiel: Der Zaunkönig, Die Scholle, oder: Die 12 Apostel) und sogar zeitgenössische Kunstmärchen (Jorinde und Joringel, Hans im Glück).

Ich habe aber trotzdem in einem »Beitrag einige Gedanken zu den verschiedenen Formen überlieferter Geschichten notiert.

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Und wie steht es mit der Erzählweise ?

Soll ich textnah erzählen, wenn die Vorlage dies qualitativ erlaubt ? Im Fall eines Grimm-Märchens, von  Wilhelm Grimm meist sprachlich sehr schön bearbeitet, ist das sicher eine gerechtfertgte Option. Ich würde das allerdings nicht „Erzählen“ sondern „Rezitieren“ nennen. In dieser hohen Kunst der wörtlichen Erzählung kommen allfällig vorhandene sprachliche Gestaltungsmittel (wie z.B. Alliterationen, Verwendung auffälliger Grammatik“fehler“ oder selten verwendete Wörter) viel besser zur Geltung. In diesem Fall ist eine Ausbildung als Sprachgestalter/in wohl hilfreicher als diejenige eines Märchenerzählers oder einer Märchenerzählerin.

Für mich ist Erzählen ein kreativer und interpretierender Akt, etwa so wie wenn ein/e Musiker/in ein an sich auskomponierte Stück aus der persönlichen Auffssung heraus „wie neu spielt“, ohne die Vorlage zu verlassen. Deshalb speichere ich die Abfolge der Bilder des Märchens und versuche aus diesen Bildern heraus frei zu formulieren. Selbstverständlich prägen sich beim Einüben eines Märchens mehrheitlich bestimmte Formulierungen ein, so dass das Märchen beim wiederholten Erzählen auch immer sehr ähnlich tönt. Bei den Bildern, Symbolen und natürlich bei der Handlung halte ich mich natürlich sehr streng an die Vorlage, eine Freiheit besteht nur in der Wahl der Worte und Satzkonstruktionen und der Verwendung von Gestaltungsmitteln wie Betonungen, laut-leise, schnell-langsam, gezielte Pausen. Inhaltliche Veränderungen wären die Arbeit eines modernen Regisseurs von Theaterstücken oder Filmen, nicht die eines Märchenerzählers.

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Kosmogramm für Palestina

Kosmogramm für Palästina von Marko Pogacnik     Kosmogramm für Palästina

von Marko Pogačnik       

zur Wiederverbindung der Völker in Palästina.

Diese Zeichnung (ein Kosmogramm genannt) wiederspiegelt all das im heutigen Palästina Zerrissene und Getrennte – nicht nur auf der Ebene der Religionen.

Israel, April 2008

 

Wir waren im Frühling 2008 drei Wochen in Israel und haben einiges, aber längst nicht alles von diesen vielen physischen und psychischen Mauern des Nicht-Vergeben- und Nicht-Akzeptieren-Könnens erfahren.

Neben der politisch augenfälligen Trennung zwischen Juden und Arabern gibt es unzählige weitere Trennungsebenen:

  • zwischen radikalen und versöhnlichen palästinensischen Arabern,
  • zwischen Arabern mit israelischem Pass und den nahezu rechtlosen Arabern in den besetzten Gebieten,
  • zwischen orthodoxen und religiös offenen Juden,
  • zwischen radikal-zionistischen Siedlern und “Normal”-Bürgern,

und natürlich noch, was alle Länder kennen, zwischen Männern und Frauen, arm und reich, Einwanderern aus den verschiedensten Kulturen usw.

Bericht von einem Besuch in Neve Shalom – Wahat al-Salam.

Typisch Märchen

Was sind typische Eigenschaften von Märchen ?

Zuerst fällt mir ganz allgemein auf … 

  • Märchen gibt es in allen menschlichen Kulturen und Märchen gab es schon “immer“.
  • Jedes Märchen ist zugleich phantastisch und realistisch. Genau diese Mischung macht einen Teil der Faszination und Spannung aus, welche Märchen erzeugen können.
  • Was in einem Märchen erzählt wird, ist gleichzeitig überall und nirgends, jederzeit und nie geschehen.

    Das wird oft durch einen typischen Anfang unterstrichen, der manchmal auf paradoxe Art jeglichen Bezug zum Orten und Terminen zu vertuschen sucht:
    “Es war einmal ….”
    “Es war, es war nicht, es war …”
    “Einst gab es, als es nicht gab, gab es”
    “Once, upon a time”
    usw.

    Märchen aus gewissen Kulturkreisen datieren hingegen ihre Geschichte oft paradox genau, obwohl sie genauso zeitlos und ubiquitär aufzunehmen sind. Ein typisches indisches Märchen beginnt so: „Zu Zeiten, als der grosse X König von Y war und Z sein oberster Wesir, …..“ Meistens holt der Märchenerzähler dann auch am Schluss die „gebannten“ Zuhörenden mit einem verfremdenden Schlusssatz in die physische Realität zurück: „Ich wäre auch gerne dabei gewesen (am Hochzeitsfest), aber sie haben mir nur einen Schuh nachgeworfen.“ Oder: „Wer’s nicht glaubt, kann ja selber nachsehen.“

    Einen vergleichbaren Effekt erzielen die Rahmenhandlungen von Märchensammlungen wie z.B. In Gian Battista Basile’s Pentamerone.

  • Märchenheldinnen und -helden werden nicht als Personen charakterisiert oder im psychlogischen Sinn fein gezeichnet. Sie bieten aber (emotional neutral) Identifikationsmöglichkeiten.


Zur Etymologie des Worts “Märchen”:

Das Wort Märchen leitet sich vom mittelhochdeutschen „maere“ ab, was „Bericht, Kunde“ bedeutet.

 

Wann ist ein Märchen ein Märchen ?
Und was ist die richtige Erzählweise ?

Der Streit um den Bart des Märchenerzählers. Mehr dazu …. (hier)

Man unterscheidet verschiedene Arten von Märchen und den Märchen verwandte Geschichten.
Für mich als Märchenerzähler ist diese Unterscheidung von untergeordneter Bedeutung. Der Märchenerzähler möchte erzählen und damit seine Zuhörerinnen und Zuhörer erquicken.

Wenn ich hingegen für Märchenbetrachtungen auch die Geschichte und das kulturelle Umfeld, die symbolische (archetypische) Ebene und die geistigen Dimensionen miteinbeziehe, wird es ausserordentlich spannend, die unterschiedlichen Ausprägungen desselben Themas in den verschiedensten Geschichten zu verfolgen.

Ich habe in einem Beitrag die folgenden Geschichtenformen beschrieben:

  1. Volksmärchen
    ♦ Zaubermärchen
    ♦ Schwankmärchen
  2. Kunstmärchen
  3. Fabeln
  4. Sagen
  5. Mythen 
  6. Legenden
  7. Sinngeschichten
  8. Novellen mit Märchenmotiven und -symbolik

Mini-Kulturgeschichte

Ein Versuch, wichtige Elemente der Kulturgeschichte im Überblick darzustellen, sozusagen als Rahmen für die Entstehungsgeschichte von Märchen.

Zeitraum
Jahre aCn

Erdgeschichte, Biologie Kulturbezeichnungen  Stichworte zur Kultur 

 ab 2,5 Millionen

Homo habilis (anthroposophisch:
Ende der
lemurischen Zeit) 
Geröll-Geräte

 ab 1,5 Millionen

erste Eiszeiten,
Homo erectus
Pithecanthropus u.a.

(anthroposophisch:
atlantische Zeit) 
Feuer,
Jäger, Sammler

 ab 600’000

 ab 100’000

letzte Homo sapiens-
Vorläufer
Altsteinzeit

Jäger, Fischer, Sammler;
differenzierte Werkzeuge
(Nadel, Harpune usw.)

Religion, Mythen
Märchen ?

 ab  10’000

letzte Eiszeit,
Homo sapiens
Mittelsteinzeit
Erwärmung,
rel. trockenes Klima
Jungsteinzeit 

Ackerbau, Dörfer,
Bilderschriften,
matrifokale Zeit

 ab   3’000

  Bronzezeit und
anschliessend Eisenzeit:
Zeit der Hochkulturen
Städte, komplexe Gesellschaften,
Schrift, Technik ,
matrifokale Zeit

 2’900 –   500

 

 Ägypten

Pyramiden um 2300
Hatschepsut um 1500 

 2’800 –   500

 

 Sumer, Akkad,
Assyr, Babylon

Gilgamesch um 2600
Hammurabi um 1700
Nebukadnezar um 600

 2’600 –   300

 

 Indien

Veden
(schriftl. um 1500 aCn)
Buddha um 500 aCn

 2’600 – 1’400

 

 Kreta

 

 1’800 –   200

 

 China

 

 1’500 –   300

 

 Israel

David, Salomo
um 1000 aCn

 ab 1’000

 

 Mittel- und Südamerika

 
       

Höre oh Freund und Bruder

Höre oh Freund und Bruder:

Wenn Du ein Kamel hast, so habe acht, es langsam zu führen, denn du musst an seine weichen Füsse denken, denen die harten Bergwege Schmerz bereiten, da sie an den weichen Wüstensand gewohnt sind.

Wenn du ein Pferd hast, lasse dich leicht sein auf seinem Rücken, dass es dich wie eine Wolke fühle und daher fliege gleich dem Wind.

Wenn du einen Gedanken hast, oh Freund und Bruder, so lasse ihn leise schreiten, mit des Kamels weichen Füssen, lasse ihn daherbrausen mit des edlen Pferdes heisser Hast und bleibe du selbst verborgen wie in einer Wolke.

Wenn du aber in deinem Geiste eine wunderbare Lüge birgst, so mache aus ihr ein Gedicht oder ein Lachen oder beides, und reite schnell, sehr schnell – denn wer ein Lachen bringt mit dem Atem einer Lüge, bringt ein Geschenk.

Elsa Sophia von Kamphoevener